HARRI STOJKA - PORTRAIT
Harri Stojka ist ein Gitarrist, Sänger, Komponist und Arrangeur aus Wien. Er gehört der Volksgruppe der Roma an und gilt als einer der wichtigsten österreichischen Jazz Musiker der Gegenwart.
Harri kam 1957 in Wien zur Welt. Die Familie Stojka gehört den Lovara-Roma an, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Ungarn und der Slowakei in das heutige Österreich emigrierte. Seine Familie hatte im zweiten Weltkrieg sehr hohe Opfer zu beklagen. Lediglich sechs Personen der ursprünglich über 200 Mitglieder zählenden Grossfamilie überlebten das Terror-Regime der Nationalsozialisten, darunter sein Vater Johann Mongo Stojka.
Vater Johann Mongo, welcher auch Musiker war, schenkte seinem Sohn mit sechs Jahren eine Plastik-Gitarre vom Jahrmarkt. Die Gitarre übte auf den jungen Harri eine dermassen große Faszination aus, dass man ihm bereits kurz darauf ein richtiges Instrument kaufte. Zu dieser Begebenheit gibt es übrigens eine lustige Familien-Anekdote: Nach dem Kauf riet sein Vater dem kleinen Harri: „Du musst so lange üben, bis dir deine Finger rauchen!“ Nach einiger Zeit des Übens meinte jedoch Harri zu seinem Vater: „Papa, ich übe und übe, aber es kommt kein Rauch!
Harri wuchs mit den unterschiedlichsten musikalischen Einflüssen auf. Neben den traditionellen Roma Liedern welche zu Festen gesungen wurden, hörte die Familie Stojka Musik von Elvis Presley, Frank Sinatra, Beatles, oder auch amerikanische Soul Musik. Vor allem Georg Harrison hatte es dem jungen Harri sehr angetan und war zu dieser Zeit sein großes Idol. Später kamen dann Bebop und Jazz dazu: Charlie Parker, George Benson, Pat Martino, Joe Pass, Karl Ratzer und vor allem Gypsy-Jazz Legende Django Reinhardt, den Harri Stojka für das größte Gitarren Genie aller Zeiten hält, waren für den jungen Gitarristen prägend.
Harri Stojkas Laufbahn als professioneller Musiker startete bereits 1970 mit der Formation Jano & Harri Stojka, welche er noch als Jugendlicher mit seinem Cousin gründete. Nachdem er in verschiedenen Bands als Gitarrist und Bassist mitgewirkt hatte, gründete er 1973 den Harri Stojka Express. Stilistisch beschäftigte sich die Band vor allem mit Jazz-Funk und veröffentlichte 1978 ihre erste LP „Sweet Vienna“ und 1980 das Nachfolge-Album „…of the Bone“. Im darauffolgenden Jahr tritt Harri Stojka im Rahmen des „Guitar Summit“ am renommierten Montreux Jazz Festival auf, wo er sowohl Kritiker wie auch das Publikum auf voller Länge überzeugen konnte. Der Auftritt gilt als legendär und verschaffte ihm den internationalen Durchbruch. Das Konzert wurde übrigens aufgezeichnet und kann auf "Live at Montreux" nachgehört werden.
Neben seinem Schaffen als Jazz Musiker hat sich Harri Stojka seit Mitte der 1990 Jahre in verschiedenen Projekten vermehrt auch mit Roma Musik und vor allem mit deren Mischung mit anderen Musikstilen beschäftigt. Viele seiner Veröffentlichungen tragen einen weltmusikalisch angehauchten Charakter, und werden oft als „Gypsysoul“ bezeichnet.
Eines der Projekte nennt sich Gitancoeur auf dem Harri Stojka mit weiteren hochkarätigen Musikern, darunter der Sängerin Jelena Krstic, Lieder aus dem reichhaltigen Fundus der traditionellen Romakultur, mit Elementen moderner Musikspielarten verbindet. Mit Gitancoeur veröffentlichte er bisher drei CDs, zuletzt das Album „Gitancoeur d' Europe“ welches 2011 erschien.
Ein weiteres Projekt nennt sich „Gypsysoul“, unter dem Harry Stojka 2005 das Album „Garude Apsa“ veröffentlichte. Garude Apsa ist Romani und bedeutet verborgene Träne. Mit dem Projekt gedenkt Harri Stojka an die Befreiung vom Naziregime und an deren Opfer. Das Album soll an die musikalischen Wurzeln der Roma erinnern, und der heutigen Generation, den Kinder und Enkeln der Überlebenden, Stolz und Mut für die Zukunft zu geben - in einem Europa, das in seiner Kultur und Musik Wirklichkeit geworden ist lange bevor ein Verständnis der Einheit Europas bei anderen Völkern entstehen konnte – so der Musiker.
Harri Stojka India Express heißt ein weiteres Projekt des Musikers. Zusammen mit dem Violinisten Mosa Sisic begibt er sich auf eine Reise zu seinen musikalischen Ursprüngen. Einerseits Jazz, mit dem seine Kariere ihren Lauf genommen hat, und anderseits Indien als Ursprungsland seiner Vorfahren. Heraus kommt eine musikalische Weltreise von Rajasthan über Südosteuropa nach Paris bis Louisiana. Das Projekt wurde übrigens auch filmisch umgesetzt. Fünf Wochen lang begleitete der österreichische Filmemacher Klaus Hundsbichler und sein Team Harry Stojka und Mosa Simic (welcher übrigens auch Roma ist) auf der Suche nach ihren Wurzeln in Indien. Der Film erhielt einen Romy in der Kategorie „Bester Kino Dokumentarfilm 2011“
Neben den oben genannten Projekten ist Harri Stojka nach wie vor als Jazz und Swing Musiker äußerst aktiv. Unter anderem veröffentlichte er 2004 die Aufnahme „A Tribute To Swing“ als Reminiszenz an den klassischen europäischen Gipsy Swing der 1930er und 1940er Jahre. Das Album wurde für den Deutschen Musik Kritiker Preis nominiert, und ebenfalls in Deutschland für den Echo-Preis zur "Besten CD Produktion aus dem Ausland" in 2005. Zudem wurde Harri Stojka ebenfalls 2005 vom österreichischen Musik-Magazin Concerto zum Besten Musiker in der Kategorie „Jazz National“ ausgezeichnet. Zuletzt erschienen 2014 die beiden Alben „Heavy Stuff“ und „Hot Club de Vienne“.
Neben seiner Tätigkeit als Musiker engagiert sich Harri Stojka auch in verschiedenen kulturhistorischen, gesellschaftlichen und politischen Projekten. Im Jahre 2012 zum Beispiel lancierte er zusammen mit dem Verein Gipsy Music Association die Fotoaktion „Ich bin gegen das Wort Zigeuner“. Die Aktion richtet sich gegen die Verwendung dieses herabwürdigenden und diskriminierenden Begriffs und wird von zahlreichen Prominenten unterstützt. Die Aktion stieß sowohl in Österreich wie auch im Ausland auf ein großes mediales Echo. Für sein großes Engagement erhielt Harri Stojka im Jahre 2013 zudem das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Auch veranstaltet Harri Stojka regelmäßig Workshops, meist zum Thema Gypsy Jazz und Roma Musik.
Harri Stojka gibt in den verschiedensten Konstellationen Konzerte auf der ganzen Welt. Er spielt und spielte an den wichtigsten Jazz- und Worldmusic-Festivals, und gibt daneben auch viele Club-Konzerte.
Alben (Auswahl):
Harri Stojka Express - Sweet Vienna (1978)
Harri Stoika Express - ...off the bone (1980)
Harri Stojka - Live in Montreux (1981)
Harri Stojka Express - Camera (1981)
Harri Stojka Express - Tight (1982)
Harri Stojka Express - Brother to Brother (1983)
Harri Stojka Express - Live (1987)
Harri Stojka - Say Yes (1988)
Harri Stojka - Music for the People (1996)
Harri Stojka Gitanoeur - dito (2000)
Harri Stojka Gitancoeur - Unplugged (2002)
Harri Stojka - Live at the Roma Wedding (2004)
Harri Stojka - A Tribute to Swing (2004)
Harri Stojka Gipsysoul - Garude Apsa (2005)
Harri Stojka - A Tribute to Gipsy Swing (2006)
Stoika & Stojka - Just Another City (2008)
Mosa Sisic & Harri Stojka - In Between (2009)
Harri Stojka - Gitanoeur d'Europe (2010)
Harri Stojka - Romano Suno/Gipsy Dream (2010)
Harri Stojka India Express - India Express (2012)
Wolfgang Böck & Harri Stojka - Satire & Jazz (2013)
Harri Stojka - Hot Club de Vienne (2014)
Harri Stojka - Heavy Stuff (2014)
Web:
Text: Robert Lippuner / Gypsy Music Network